Matthias Müller schließt Masterstudium an englischer Universität als Jahrgangsbester ab

05. Januar 2024: KI-Export aus dem Frankenwald
Mit Stolz blicken die Eltern Maria und Stefan Müller auf ihren erfolgreichen Sohn Matthias.

Es ist die ruhige Zeit um den Jahreswechsel, eine Zeit die man gerne für Gespräche in gemütlicher Atmosphäre nutzt. Bei einer Tasse Tee tausche ich mich mit einem jungen Mann aus, der in den letzten Monaten und vor allem Wochen besondere Momente im Leben hatte. Matthias Müller hat etwas geschafft, was vor ihm sicherlich nur wenige ausländische Studenten erreicht  haben. An der Universität im englischen Loughborough hat er kurz vor Weihnachten 2023 sein Masterstudium in  "Artificial Intelligence" als Jahrgangsbester abgeschlossen. Im Englischen steht dies für "Künstliche Intelligenz", einer zukunftsorientierten Wissenschaft, deren Vor- und Nachteile stärker denn je in der Diskussion stehen.

Vor mir sitzt ein jugendlich wirkender, drahtiger 24 Jahre junger Mann, dessen silberumrandete Brille fast schon ein wenig an Harry Potter erinnert. Matthias Müller ist ein aufgeschlossener Typ, der trotz seines studentischen Erfolges großen Wert auf seine Bindung zur Heimat legt. "Matze", wie er in seinem Freundeskreis im heimischen Ortsteil Neufang genannt wird, hatte 2018 sein Abitur am Frankenwald-Gymnasium mit der Traumnote 1,0 absolviert. Schon zu Schulzeiten beschäftigte er sich in Informatik mit Künstlicher Intelligenz und bewies in seiner prämierten Seminararbeit zum Thema "Bierkopfkarten", welches Potenzial in ihm steckt. Gleichzeitig stand aber für ihn fest, die Faszination für Informatik auch im Studium ausleben zu wollen. Sein Bachelorstudium an der Universität Bamberg in "Angewandter Informatik" schloss er ebenfalls mit einer überragenden Leistung ab. 

Internationales Studium

Seine guten Leistungen während des Erststudiums ebneten Müller auch den Weg zur "Studienstiftung des deutschen Volkes”, die über das Bundesministerium für Bildung und Forschung, Stipendien vergibt und Auslandsaufenthalte fördert. Nur so war es ihm auch möglich, die im Raum stehenden Kosten für das Studium an einer ausländischen Hochschule tragen zu können. Die Stiftung pflegt eine enge Kooperation mit einer englischen Universität in der etwa 60.000 Einwohner zählenden Arbeiterstadt Loughborough. Und genau hier, 30 km südlich von Nottingham, fand er den Studiengang "Artificial Intelligence", der ihn schließlich zum Master of Science werden ließ. Das Hochschulsystem in England macht es möglich, bereits nach einem Jahr mit drei Semestern einen Masterabschluss zu erlangen. Interessant ist es, mit Matthias Müller über sein Leben in der Wohngemeinschaft unmittelbar auf dem Campus der Uni zu sprechen. Dieses war alleine schon durch die Mitbewohner der WG, die aus Sri Lanka, Indien und Großbritannien stammten, international ausgerichtet. Schon nach kurzer Zeit erfolgte Reden und Denken nur noch in englischer Sprache. Lediglich die Telefonate mit seiner Familie und Freunden im Frankenwald ließen ihn sprachlich zum Deutschen zurückfinden. Durch das intensive Studium blieb auch nur wenig Zeit, um neben dem Studentenleben auch die typische englische Lebensweise kennen lernen zu können. Den Brexit (Anmerkung: Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU im Jahr 2020) spürte der Student insbesondere in formellen Dingen, wie der Visapflicht und den hohen Studiengebühren. Die Lebenshaltungskosten in England unterscheiden sich hingegen kaum von denen in Deutschland. Der internationale Horizont ist bei allen Aussagen von Matthias Müller zu erkennen, insbesondere wenn es auch um die künftigen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz geht. Klassische Informatik funktioniere mit Algorithmen, so Müller. Künstliche Intelligenz gebe hingegen nur den Rahmen vor, die Regeln zum Steuern eignet sich das Programm selber an. Dazu braucht es aber viele Daten, damit die klassischen Lernprozesse funktionieren. In seinem modular aufgebauten KI-Studium beschäftigte sich Müller mit Bildern, Texten, Robotic, Softwareentwicklung und Forschung.

Auch seine Masterarbeit "Neuronales Konzeptlernen" basierte auf diesen Studien. Die von Matthias Müller vorgelegte Masterarbeit überzeugte die Professoren und der junge Neufanger wurde als bester Masterabsolvent des Jahrgangs seiner Universität ausgezeichnet. Von den etwa einhundert Mitstudierenden stammte nur etwa ein Drittel aus Großbritannien, der Rest kam aus Ländern wie Indien, China, Nigeria und mit Matthias Müller nur einer aus Deutschland. In einer beeindruckenden Zeremonie erhielt Müller durch den Kanzler der Uni seinen Titel als Master of Science verliehen.

Welches Gefühl überkommt einem in der Stunde des Erfolgs?

Müller: "Ganz ehrlich, mich hat der Stolz übermannt, dass ich nun die Früchte für den besonderen Aufwand ernten darf. Es ist für mich auch Bestätigung, dass ich mit meiner beruflichen Ausrichtung auf dem für mich richtigen Weg bin. Ich spüre große Wertschätzung für das bisher von mir Geleistete, insbesondere blickt auch meine Familie mit Stolz auf mein Erreichtes. Die Zeremonie und der Rahmen hierfür waren festlich gestaltet. Es ist beeindruckend, wie man in England diese jahrhundertealten Traditionen, einschließlich der formellen Bekleidung mit Roben und Hüten pflegt. Insbesondere der Hut, der von den mehr als 500 Absolventen getragen wurde, bezeugte den neuen akademischen Titel. Die Orgelbegleitung, das Zepter und einige Formalien verleihen der "Graduation Ceremony" auch einen gewissen royalen Touch."

Wie geht es mit dem frisch gebackenen Masterabsolventen Matthias Müller beruflich weiter?

Müller: "Ich möchte an meiner bisherigen Ausrichtung auf Informatik und an der Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz festhalten. In erster Linie strebe ich eine wissenschaftliche Laufbahn mit einer Promotion an. Vielleicht gelingt es mir eines Tages auch eine Professur für dieses spannende Themenfeld zu erlangen. Ich möchte mein Wissen später unbedingt an andere Menschen weitergeben. Vielleicht führt mich mein Weg eines Tages auch in die Wirtschaft zu einem internationalen Softwareunternehmen oder einem Startup. Das lasse ich für mich offen. Sicherlich kann der Abschluss als "best of the year" eines Tages auch beruflich Türen öffnen. Durch die mir wichtige Bindung zu meiner Heimat, den Frankenwald, wird sich mein räumlicher Fokus wohl aber auf Europa, und hier die mitteleuropäischen Staaten, richten."

Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der KI?

Müller: "Ich finde es toll, einem System etwas beibringen zu können, damit es Neues lernt. Künstliche Intelligenz bringt Fortschritt und Entwicklungsmöglichkeiten, von denen die Menschheit bisher nur geträumt hat. Neue Technologien werden entstehen in einer nie gekannten Schnelligkeit. KI wird vor allem unterstützend wirken, weniger ersetzend. Es wird weiterhin Rechtsanwälte geben, die mit KI aber schneller relevante Paragraphen finden werden. Es wird weiterhin Ärzte geben, die durch KI in ihrer Urteilsfindung unterstützt werden. Das macht uns produktiver, was wir bei einer alternden Bevölkerung auch werden müssen. Die Gefahren von KI sollte man sich nicht wie den Terminator vorstellen. Hier gibt es einen guten Vergleich zu Menschen: Es gibt sehr intelligente Menschen und es gibt Menschen, die dominieren wollen. Das sind aber nicht unbedingt die gleichen Menschentypen. Zudem, genauso wie Menschen sehr spezialisiert sind in dem was sie tun, wird das bei KI-Systemen voraussichtlich genauso sein. Die Technologie ist nicht böse, aber es gibt Menschen mit bösen Absichten. Gesellschaftlich dürfen wir zum einen die Informationsschlacht nicht verlieren. Mit "deepfakes" kann man zum Beispiel Videos kreieren, die jede Person vermeintlich alles sagen lassen. Das ist besonders kurz vor Wahlen sehr gefährlich. Die Bedeutung der Informationshoheit kann man in den aktuellen Konflikten gut beobachten. Zum anderen müssen wir uns überlegen, wofür wir die Technologien gesellschaftlich einsetzen wollen, eventuell für eine gute Balance zwischen Freiheit und Sicherheit durch automatisierte Überwachung. Schwerwiegende Eingriffe sollten wir uns gut überlegen. Wenn ein System nur für schwere Straftaten eingesetzt werden darf, heißt das auch, dass es das System gibt und nur die Regel eine Behörde davon abhält, dies auch für alle Menschen anzuwenden. In Deutschland können wir im internationalen Vergleich schon gut Vertrauen in Behörden haben, aber gerade die Vergangenheit hat gezeigt, wie schnell sich das ändern kann."

Wie wichtig ist für Sie die "Heimat"?

Müller: "Auch wenn mir das Studium in England für meine Persönlichkeitsentwicklung sicherlich gut getan hat, möchte ich meinen Lebensmittelpunkt nicht dauerhaft dorthin verlegen. Zu sehr fühle ich mich dem heimatlichen Frankenwald, mit allem was für die Region typisch ist, verbunden. Das soziale Gefüge der Familie und des Freundeskreises möchte ich nicht missen. Es ist ein Netz, das einen auch mal in schwierigen Situationen auffängt." Bei seinen Aussagen reflektiert Müller immer wieder auch auf das Ehrenamt, das ihm trotz enger zeitlicher Rahmen wichtig ist. Gelegentlich spielt er die Kirchenorgel in Neufang. “Da ich in den letzten zwei Jahren in mehreren Städten und Ländern gelebt habe, machen es die örtlichen und zeitlichen Umstände aber schon schwierig dies aufrecht zu erhalten”, stellt Müller nüchtern fest. Dadurch kommt er bei der örtlichen Feuerwehr und der Wasserwacht in Wallenfels nur noch selten zum Einsatz. Ganz aktuell zog er zum Jahreswechsel mit den jungen Männern aus Neufang durch das Dorf und er hält durch sein Akkordeonspiel die alte Tradition der “Pfeffera" am Leben.

Selbst wenn man Matthias Müller als jungen Menschen zur Social-Media-Generation zählen würde, trifft dies auf ihn nicht ganz zu. "Ich bin zwar vernetzt, verzichte dabei aber bewusst auf Kanäle wie Facebook, Instagram oder X. Als Wissensplattform nutze ich gerne Youtube und konsumiere eigentlich nur selektierte Nachrichten. Ich sehe die Gefahr, dass dieser gelebte "digitale overflow” auch Lebensqualität kosten kann. Das ist vielleicht ein bisschen extrem. Bei sozialen Medien liegt die Wahrheit wohl auch in der Mitte", so Müller. Von ihm werden wir in Zukunft sicherlich noch hören.

Text und Interview von Jürgen Schlee, Wallenfels